Begegnung in Poznan

Hallo Ihr,

nach dem furchtbar anstrengenden Motorrad-Wochenende fuhren wir wieder in Richtung Poznan. Zum einen natuerlich, um uns die Stadt anzuschauen (das sich definitiv lohnt) – zum anderen natuerlich auch, um in der Naehe der Hallgeber-Express-Sendung zu bleiben.

Unsere Unterkunft in Poznan war einer dieser alten Betonklotze von Orbis, dem frueheren staatlichen Hotelanbieter in Polen. Die Wahl fiel auf dieses Hotel wegen des eigenen Bades und des Wochenend-Rabatts.

Das interessanteste an diesem Hotels war uebrigens der Parkplatz, auf dem naemlich eine grasgruene M 72 stand. Nach dem Parken wollten wir uns die Maschine naeher anschauen, als Sacha ploetzlich Fuesse entdeckte. Zuerst dachten wir, dass jemand daneben schlaeft – bei naeherem Hinsehen allerdings bemerkten wir, dass da jemand schraubt: Ein aelterer Senior (laut eigenen Angaben 80, was wir auch sofort glaubten) lag neben dem Motorrad und war gerade im Begriff, den Zuendverteiler einzubauen!

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Schrauber mit vieeeeeel Erfahrung

Sacha fragte, ob er helfen koennte, aber das Angebot wurde abgelehnt. So fanden wir immerhin heraus, dass Herr Manczak sehr gut deutsch spricht. Er erzaehlte uns von seiner M 72, die er in den 70er Jahren von der polnischen Polizei gekauft hatte (man beachte die Verkleidung am Lenker). In der Zwischenzeit haette er sie oefter mal modifiziert und auch umlackiert; ihm ginge es eher um den praktischen Nutzen als um Originalitaet. Allerdings sei er wegen seiner Zuckerkrankheit seit 2 Jahren nicht mehr gefahren und repariere sie nun, um sie dann zu verkaufen. So sind wir also auf diesem Parkplatz Zeugen der Wiederbelebung dieser Maschine geworden: Einige Kicke von dem recht ruestigen Herrn, und die M72 lief!

Wir trafen ihn heute nochmal und er hatte uns versprochen, Bilder seiner Maschinen (er ist ein riesiger Indian-Fan) mitzubringen. Im Verlaufe dieser Stunden erfuhren wir auch einige Dinge ueber polnische Geschichte und das Schicksal seiner Familie: Sein Vater Jozef war Flieger im 1. Weltkrieg und laut seinem Sohn irgendwann sogar in der Staffel von Richthofen. Wie der Vater 1939/40 von den Russen verschleppt wurde und noch bis Januar, Februar Briefe an seine Familie schrieb. Danach hoerte die Familie nichts mehr von ihm und befuerchtete das Schlimmste. Einige Jahre spaeter wurde ihm auf Anfrage durch das Rote Kreuz mitgeteilt, dass man unter den Opfern von Katyn (ein Ort in Russland in  der Naehe von Smolensk) auch persoenliche Dinge seines Vaters gefunden haette…

Normalerweise liest man solche Dinge in Geschichtsbuechern – aber diese lebendige Geschichtsstunde mit Herrn Manczak war sehr viel eindruecklicher und anschaulicher. Er zeigte uns alte Familienbilder mit der Bemerkung, dass er heute der einzige Ueberlebende sei. Wir konnten auch Originalfotografien seines Vaters anschauen sowie Luftaufnahmen von Poznan von 1919.

Herr Manczak hat die Dokumente einer Ausstellung ueber das Massaker von Katyn zur Verfuegung gestellt und uns erklaert, er erzaehle uns das, weil man das nie vergessen duerfe und viele Leute davon noch nie gehoert haben.
Laut Wikipedia haben die Russen (veruebt hat das Verbrechen der NKWD) das Massaker uebrigens immer der Wehrmacht in die Schuhe geschoben und erst 1989 ihre Schuld zugegeben. Bei diesem Massaker verloren um die 20.000 Polen ihr Leben, meist Offiziere, aber auch Intellektuelle und Zivilisten.

Herzliche Gruesse,

Regina

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Strassenecke in Poznan


One Response to “Begegnung in Poznan”

  • Andersreisender Says:

    Ich finde es immer wieder toll, wenn man auf Reisen Menschen aus der Region kennen lernt. Bei Euch spielte das türkise Gespanne dabei eine Rolle. Faszinierend, wenn man dann den Menschen und ihren Geschichten zuhören kann.

    Weiterhin eine gute Reise!