Russentreffen mit Russen

Hallo Ihr,

manchmal auf unserer Reise war es schon so, als gaebe es da einen unsichtbaren Regisseur, der sich darum bemüht, uns einen möglichst abenteuerlichen Trip zu bieten. So war es auch diesmal, beim Russentreffen in Narva:

Den Samstagvormittag verbrachten Sacha und ich noch in Narva, eine Stadt, die für Touristen nur wenig interessantes bietet. Da gibt es die wirklich schöne Hermannsfeste, und auf der anderen Seite dann die Festung Ivangorod – beide interessanterweise aus verschiednen Jahrhunderten. Und das wars dann auch schon fast…es sei denn, man kann sich schwer für Architektur aus der kommunistischen Aera begeistern. Eines dieser Ueberbleibsel ist uebrigens eine Lenin-Statue, die in einer Ecke vor der Festung steht – es duerfte wohl eine der letzten ihrer Art in Europa sein!

narva

Vorne Eu, hinten RUS: Festung in Narva

Gegen nachmittag fuhren wir noerdlich, im an der Narva, dem Grenzfluss zwischen Estland und Russland, entlang. Um halb vier wollten wir uns mit Pavel in Narwa-Joesuu zu einer kleinen Ausfahrt mit seinen Russen-Kumpels treffen.
Passenderweise riss mir kurz vor dem Ziel das Kupplungsseil an der Chinesin. Nach kurzem Abschleppen durch Sacha kamen wir bei Pavel an.

abschlepp

Abschleppunternehmen Sashko

Kurzerhand wurde ich für die Ausfahrt auf den Rücksitz eines GAZ-Jeeps verfrachtet, was auch nicht schlecht war.
Der Konvoi der Classicriders bestand aus einem GAZ- sowie einem UAZ-Jeep, zwei Seitenventil-Gespannen (K 750 und MW 750) sowie einem Dnepr MT 16-Gespann.

marschhalt

Marschhalt

konvoi

Konvoi im Unterholz

 

Kommentar Sacha: Die K750 hatte einen sehr speziellen Motor den wir noch nie zuvor gesehen hatten. Das Besondere war der vordere Teil wo normalerweise der Zuendverteiler drauf ist. Bei diesem Motor war da ein Ventilator der ueber ein Gussgehaeuse die beiden Zylinder gekuehlt hat. Dieses Gehaeuse schuezt zudem die Zylinder vor Schlamm. Gleichzeitig war an diesem Gehaeuse noch eine Seilwinde, die ueber eine Kette (vom Ventilator her) und ein „Umlenkgetriebe“ angetrieben wurde. Anstelle des Zuendverteilers hatte die K ein Zuendmagnet. Eine „externe“ Lima hat dem Moped den Saft gebracht. Der Besitzer der Maschine wusste nichts genaues ueber den Motor. Er hat zwei dieser Motoren auf einem Markt erstanden. Er sagte noch was ueber eine Entwicklung fuer die Armenische Armee. Auf jeden Fall war dieser Motor etwas richtig seltenes.

k750

Luftgekuehlter SV

k750a

Seilwinde

Die Fahrt führte zuerst durch den Wald, wo alle an einer Ruine hielten. Nach kurzer Fotopause fuhr man dann über einen Markt, um nach einer weiteren Offroad-Einlage zur Club-Garage zu kommen. Von dort gings dann waldeinwärts über ein paar gröbere Bodenwellen zu einem Grillplatz.

wald

Russenpicknick

Dort wurde dann ausgepackt, was ein ambitionierter Russe zum Picknicken so braucht: von Motorsäge über Axt, den Samowar nebst Kamin!, Essen, einer Pfanne bis hin zu einem Kästchen, das Ampullen enthielt. Somit wurde also geklärt, ob das Gebiet nicht zufällig kontaminiert sei (ich bin mir aber sicher, dass Gasmasken nicht weit gewesen wären). Die ganzen Häppchen nebst obligatorischen Essiggurken wurden kurzerhand auf der Motorhaube des UAZ ausgebreitet. An Getränken gab es Saft, Wodka sowie Samagon, der laut Anatolij aus „guter Quelle“ stammte – der Konsum hielt sich übrigens sehr in Grenzen. Die Gespanne rückten aus, um mit halben Bäumen für das Lagerfeuer wiederzukommen.

Später am Abend gesellte sich noch Aleksander zur Runde, ein in Finnland lebender Russe. Zuerst rpäsentierte er seinen motorisierten Off-Road-Roller, mit dem man prima durch den Wald heizen konnte. Uns wurde erklärt, das Aleksander Fahrzeuge, zB Trikes, in sehr origineller Art und Weise selbst konstruiert. Später griff er dann zur Gitarre und sang auf russisch seine selbstgeschriebenen melancholischen Lieder. Die Themen umfassen wohl Dinge wie Narva, seine Gedanken, Russenboxerfahren usw.

alex

Alexander

roller

Extem-Cross-Roller, macht viel Spass

 

Leider war dann dieses wunderschöne, private Treffen mit rund 15 Russen irgendwann auch vorbei. Nach einer abendlichen Fahrt zogen Sacha und ich in das sehr gemütliche Clubhaus der Classicriders ein. Den Rest des Abends verbrachten wir in Pavels Küche zusammen mit Anatolij bei Vana Tallinn, Tee und einem leckeren Bortsch.

Dabei erfuhren wir einiges über die Russen, die in Narva die absolute Mehrheit der Einwohner der Stadt bilden (Pawel schätzte auf 50-70 Prozent, der Anteil liegt aber offensichtlich noch weit höher). Dass sie sich beispielsweise von den Esten ungerecht behandelt fühlten, da diese den in Estland geborenen Russen oft nur den sogenannten „Alien-Pass“ ausstellen.

Dieser Pass, auf dem das wirklich so steht, besagt, dass der Inhaber dieses Passes kein Staatsbürger von Estland sei. Auf unsere Frage, wie sie denn den estischen Pass erhalten würden, meinten sie entrüstet, dass sie dazu zu einem Sprachtest müssten! Sie, die in diesem Land Geborenen. Dieses kleine Beispiel zeigt anschaulich das Verhältnis zwischen den Esten und den aus ihrer Sicht  früheren Besatzern.

Ferner war schnell zu erkennen, dass die Russen in Estland die estischen Politiker nicht sehr schätzen und die EU als Institution absolut ablehnen. Wichtig scheint ihnen die persönliche Freiheit zu sein udn Narva (und vor allem die Umgebung am Śtrand) ist für sie der schönste Ort der Welt.

Am nächsten Morgen wurde der Kupplungszug in professioneller Art und Weise von Walerij gelötet, der dafür extra mit Lötkolben und Lötwasser anreiste. Mittags fuhren wir dann weiter Richtung Süd-West-Estland, davor erhielten wir noch eine Einladung von Anatolij, der in Tallinn wohnt.

Nach einer sehr regnerischen Fahrt erreichten wir Pöltsamaa, wo wir unser Nachtquartier bezogen. Heute morgen gings dann weiter nach Türi, wo wir den estischen Ural-Händler besuchen wollten. In der angegebenen Strasse deutete aber leider nichts auf den Händler hin und nach einer halben Stunde des Suchens sind wir dann weitergefahren in Richtung Tallinn.

In Tallinn werden wir ein paar Tage bleiben, um danach nach Finnland weiterzureisen.

Herzliche Grüsse aus dem schönen Tallinn,

Regina


One Response to “Russentreffen mit Russen”

  • dirk Says:

    tolle fotos, da kann man echt neidisch werden 🙂 es herrscht gute stimmung und die umgebung ist ungalublich schön. grüße, dirk