Unterwegs in Mittelbulgarien

Hallo Ihr,

trotz moerderischer Hitze machten wir uns gestern, in Veliko Tavorno, auf die Socken, um die mittelalterliche Festung zu besichtigen. Sie erstreckt sich ueber eine riesige Flaeche und ist sehr sehenswert, auch wenn viele Haeuser und Kirchen nur noch als Grundrisse zu sehen sind.

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Zitadelle in Veliko Tarnovo

Nach dem Sightseeing fuhren wir zu einem Termin: Ein Bulgare wollte uns seine Dnepr-Teile zeigen. Vor seinem abgezaeunten Grundstueck standen russische GAS-LKWs in Zustaenden zwischen Schrott und Fast-Neuzustand. Das Grundstueck selbst war eine wilde Mischung aus Schrottplatz und Garage: Zwischen alten Kraftstofftanks von Jagdflugzeugen konnten wir alte russische LKWs, russische Jeeps, unzaehlige Motorradmotoren unbekannter Herkunft, mehrere alten Dnepr-Beiwagen sehen. Die wahren Schaetze aber verbargen sich unter Planen und in abgeschlossenen Garagen: Zum einen war da ein toprestauriertes Amphibienfahrzeug aus russischer Produktion, laut Aussage des Besitzers existieren davon weltweit nur noch 30 Stueck. Daneben die andere Ueberraschung in Form einer toprestaurierten Zuendapp-Wehrmachtsmaschine, inklusive martialischer Maschinenpistolenattrape. Die echte, bulgarische waere fuer den stolzen Besitzer nach eigenen Angaben erheblich billiger zu erwerben gewesen, aber damit haette er in Bulgarien massive Probleme mit der Polizei bekommen….Und so entschied er sich fuer die teurere, ungarische Atrappe.

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Sammelsurium (mit kleinem Zusatztank im Hintergrund)

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Ein paar Dnepr Teile irgendwo auf dem Hof

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Unbekannter Boxer Motor. Wer erkennt diesen und kann helfen?

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Zuendapp mit Lada Vorderrad und einer MG Attrappe

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Front Ansicht

 

 

In der Werkstatt stand ein noch zu restaurierender GAZ-Jeep – wohl der Hauptgeschaeftszweig der Firma. An der Decke hing ein Indian-Chief-Rahmen, auf dem Motorengestell lag ein Zuendapp-Rahmen. Uns wurde ein Motor gezeigt, ueber dessen Herkunft sich die Herren nicht klar sind. In den naechsten Tagen versuchen wir, Bilder reinzustellen – vielleicht kann ja jemand etwas zum Motor sagen. Der Besitzer tippt uebrigens auf etwas englisches.

Die Privatfuehrung umfasste noch einige weitere Raeume. In einem stapelten sich alte Helme, irgendwo stand eine Kiste voller russischer Vergaser. Daneben ein zerlegtes englisches Motorrad, was wohl seine Fertigstellung mangels Ambitionen der bulgarischen Schrauber nicht mehr erleben wird.

Im Garten dann weitere Flugzeugtanks. Zwei, drei olivgruene Anhaenger vor einer Scheune, in der saemtliche Dnepr-Teile lagerten – einfach ein riesiges Sammelsurium.

Am Rande erwaehnen moechten wir noch, dass diese Leute natuerlich „Bili“ mit seinem ebenfalls nicht unbetraechtlichen Sammelsurium kennen (Bili kennt eh jeder in Bulgarien). Und Doncho aus Plovdiv kennen sie natuerlich auch. Es scheint hier alles eine grosse Familie zu sein.

Richtig interessant wurde es gegen 17.00 Uhr, als ein Freund der Schrauber vorfuhr – mit einer auf LPG umgebauten Dnepr MT 11 (nennen wir ihn Dimitri, in Erinnerung an einen Arbeitskollegen von Sacha). Den 27-Liter Kraftstofftank hatte er vorne in die Bootsnase gebaut, so befindet sich rechts am Boot der Einfuellstutzen. Das Fluessiggas wird ueber eine Pumpe zu einem „Konverter“ gebracht. Dort wird der fluessige Brennstoff in Gas umgewandelt. Dieses wird dann direkt in die Luftansaugschlaeuche der K63 eingebracht.
Das Kaltstartverhalten sei laut Dimitri schlecht, aus diesem Grund braucht er nach wie vor Benzin, um den Motor auf Temperatur zu bringen. Sobald die Betriebstemperatur erreicht ist, kann Dimitri per Schalter das LPG zuschalten und macht den Benzinhahn zu. Wichtig ist fuer kalte Tageszeiten, ein Anti-Freeze ins LPG einzubringen, da der Konverter  ein offensichtlich teures Bauteil ist.
Laut Dimitri liegt der Verbrauch bei sieben bis acht Litern, bei einem bulgarischen LPG-Preis von derzeit ca. 50 Cent. In Bulgarien ist die LPG-Tankstellendichte uebrigens sehr hoch. Seine Reisegeschwindigkeit liegt laut eigenen Angaben bei rund 100 km/h, die Spitzengeschwindigkeit bei 120 km/h – und das seit rund 14 000 km, die er auf dem Tacho hat.
Interessant fanden wir, dass er ausser den zusaetzlichen Dingen wir Tank, Schlaeuche sowie dem recht kleinen Konverter nichts geaendert hat. Alles andere an seinem Gespann ist wohl original.
Dimitri fuehrte uns abends dann aus der Stadt – als er vor uns herfuhr, war als einziger Unterschied lediglich ein etwas anderer Ton von der Dnepr zu hoeren, als wir sonst gewohnt sind.

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"Dimitri" mit Dnepr MT11.5 (LPG)

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LPG Tank mit Anschluessen in der Bootsnase

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Konverter mit Anti-Freeze Einheit

 

Heute morgen stand dann wieder Kultur auf dem Programm: Der Besuch des Humormuseums in Gabrovo. Die Einwohner von Gabrovo geniessen den zweifelhaften Ruf, extrem geizig und ein bisschen doof zu sein. So hat man aus der Not eine Tugend gemacht und im Jahre 1972 (!) in einem sehr sozialistisch anmutenden Gebaeude ein Museum fuer Humor und Satire eroeffnet. Ich persoenlich wuerde den Besuch sehr empfehlen, sofern einen die Materie interessiert. Im Gegensatz zum (sehr schoenen) tuerkischen Karikatur-Museum hat es riesige Ausstellungsflaechen sowie Skulpturen und auch gemalte Karikaturen.
(und ja, ihr seht das schon richtig, Sacha ist echt eine arme Sau, er musste naemlich mit…)

Auf dem Weg nach Kazanlak machten wir die Entdeckung des Tages: Ein UFO, und das mitten auf einem bulgarischen Pass! Neben dem UFO war ein hoher, sehr sozialistisch anmutendenr Turm mit einem roten Stern drauf.

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Sovietskj Ufo

Unsere Nachfrage bei einem Kazanlaker Kellner ergab, dass dieses Bauwerk ebenfalls ein Tribut an den russisch-tuerkischen Krieg war, der hier, in diesem Gebiet, zu Gunsten der Russen (und somit der damaligen Unabhaengigkeit Bulgariens) entschieden wurde.
Ferner erzaehlte er uns, dass das „UFO“ frueher eine Ausstellugn ueber den Krieg beherbergte sowie sehr wichtigen Staatsgaesten als repraesentative Unterkunft diente. Bedauernd fuegte er hinzu, dass innen wohl alles gestohlen und zerstoert wurde und das Bauwerk geschlossen war. Er habe neulich gelesen, dass eine Investorengruppe plante, den Bau zu einer Disko umzufunktionieren…..

Ein paar Kilometer weiter musste Sacha die Zuendung seiner K750 einstellen und machte es sich mit Zuendpistole und Werkzeugkisten auf einem Parkplatz neben einem Restaurant gemuetlich. Als ein Biker vorbeifuhr, gruesste ich freundlich. Er dreht sofort um, hielt neben uns und fragte etwas auf bulgarisch. Wir sagten ihm, dass wir kein Bulgarisch verstuenden. Kurz darauf kam er wieder – mit einer perfekt englischsprechenden Dame auf dem Ruecksitz! Ob wir Probleme haetten? Wir verneinten und dankten den beiden, dass sie sich um uns sorgten. Danach  kamen wir auf das morgige Motorradtreffen in Kazanlak zu sprechen und wurden sofort fuer heute abend eingeladen. Der Intruder-Fahrer war Mitglied der „Black Roses“. Ueberhaupt hat man hier ein Faible fuer Motorrad-Clubs , wir haben allerdings den Eindruck, dass das alles etwas freier gehandhabt wird in Bulgarien.

Unser naechste Bericht wird dann das Treffen umfassen, an dem wir hoffentlich Doncho aus Plovdiv wiedersehen. Ausserdem haben wir in saemtlichen Landesteilen Motorradfahrer getroffen, die auch zu diesem Treffen wollten. Na, mal sehen.

Aufruf: Wir suchen eine Kontaktadresse in Rumaenien, an die wir Teile (kleine Dichtungen) schicken lassen koennten. Adressen bitte an lall@mail.com  . Herzlichen Dank. 

Herzliche Greusse aus Kazanlak, Bilder von Schwimmwaegen und UFOs werden schnellstens nachgereicht,

Regina und Sacha


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